Donnerstag, 29. Dezember 2011

Das Innisfail-Syndrom

Fast zwei Wochen in der Hölle habe ich hinter mir. Ich habe ja bereits im letzten Eintrag beschrieben, wie ich versuche, die tödliche Langeweile am Fließband zu vertreiben. Das klappt auch eine Zeit lang ganz gut, aber irgendwann gehen mir eben die Zahlen und Gedichte aus. Dann bleiben mir nur noch zwei Möglichkeiten: Ich kann entweder anfangen, mit meinem Oberkörper rhythmisch nach vorne und hinten zu wippen und dabei ausgedehnte Selbstgespräche über Porzellan-Teeservices zu führen (Merke: Ganz schlechte Idee, auch wenn kein Mensch versteht, worüber man mit sich selbst redet) oder ich versuche, den um sich greifenden Wahnsinn nur auf mein Gehirn zu beschränken. Das ist auch keine so gute Idee, denn dabei können die absurdesten Gedankenkonstrukte entstehen. Aber lest selbst:
Ich habe festgestellt, dass ich eine abgrundtiefe Abneigung gegen den Mann entwickelt habe, der vor mir am Fließband steht. Ach was, Abneigung, wohl eher blanker Hass! Er ist Mitte vierzig, hat einen Schnauzer und stammt von den Philippinen. Versteht mich nicht falsch, ich habe weder etwas gegen Mittvierziger noch gegen die Philippinen. Selbst Schnauzer kann ich ertragen. Ganz im Gegenteil, ich finde sogar, dass er ein netter und hart arbeitender Mann ist, der sicher nur seine Familie ernähren will. Trotzdem stelle ich mir manchmal vor, wie ich ihm einen qualvollen Tod bereite. Woher kommt dieser Hass? Ich hasse ihn, weil er dafür sorgt, dass sich das Fließband vor mir niemals leert. Er schneidet Bananen, immerzu, wie eine gottverdammte Maschine. Er hält mich am Arbeiten, neun Stunden am Tag, und dafür wünsche ich ihm die Pest an den Hals. In meiner Wahnwelt bezeichne ich diesen psychologischen Effekt der Akkordarbeit als „Innisfail-Syndrom“, frei nach dem berühmt-berüchtigten Stockholm-Syndrom. Am Innisfail-Syndrom leidet demnach, wer am Fließband arbeitet und eine irrationale Abneigung gegen seinen Vorarbeiter entwickelt. Diagnose gelungen – Patient geheilt? Mitnichten! Das Innisfail-Syndrom ist ziemlich hartnäckig und nur durch Kündigung heilbar. Es wird also noch eine Weile dauern, bis ich davon loskomme. Vielleicht sollte ich in der Zwischenzeit ein Patent auf den Namen anmelden.
Eine weitere Frucht meiner verqueren Gedankengänge war die Einsicht, wie sehr so eine Bananenplantage einem totalitären Regime gleicht. Die Gemeinsamkeiten sind wirklich verblüffend. Sowohl in einem totalitären Regime wie dem Dritten Reich als auch auf einer Bananenfarm gilt das Führerprinzip. Jeder Arbeiter untersteht einem Vorarbeiter und hat dessen Anweisungen bedingungslos Folge zu leisten. Dieser Vorarbeiter wiederum hat einen Boss, der aber auch nur auf das Kommando des uneingeschränkten Tyrannen hört, dessen Willkür die gesamte Plantagen-Gesellschaft unterworfen ist: Der Farmer. Er und seine Familie gehören zu den wenigen Fanatikern, auf denen das gesamte System beruht. Der Rest der Belegschaft sind nur Mitläufer bzw. Opportunisten, die zu ihrem eigenen Vorteil alles für den Farmer tun würden.
Doch all die Arbeiter, Vorarbeiter und der Farmer selbst bilden nur die Spitze der Gesellschaftspyramide. Die breite Basis besteht aus den Bananen. Sie werden erbarmungslos ausgebeutet und vom Farmer als Machtinstrument missbraucht, denn er weiß: Wer die Bananen kontrolliert, kontrolliert die gesamte Plantage. Bei den Bananen kommen die Prinzipien des Totalitarismus‘ am deutlichsten zum Vorschein: Das Individuum wird unterdrückt (Einzelbananen werden aussortiert), jede Form von Andersartigkeit wird rigoros verfolgt und ausgemerzt, egal ob beruhend auf Äußerlichkeiten (zu krumme,  zu gerade, zu gelbe, zu braune, zu kleine, ja sogar zu große Bananen) oder auf inneren Werten (zu weiches Fruchtfleisch). Abweichler werden aufgespürt, deportiert und von einer effektiven Tötungsmaschinerie (ein gewaltiger Schredder) ermordet.
Fehlt nur noch, dass der Farmer ein Buch mit dem Titel „Mein Kampf (mit den Bananen)“ schreibt, die Nachbarfarm in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überfällt und schließlich allen Mangoplantagen der Welt den totalen Krieg erklärt. Die Mangofarmer antworten wiederum mit der Veröffentlichung des „kommunistischen Mangofests“ (verfasst von Karl Mango und Friedrich Engels) und schon haben wir den 2. Bananenkrieg*. Na toll! Bevor ich das erlebe, werde ich doch lieber geisteskrank und sammle Porzellan-Teeservices!

*Ich bitte die historische Ungenauigkeit zu entschuldigen, denn wie jeder weiß, wurde „Das kommunistische Mangofest“ von Karl Mango und Friedrich Engels 76 Jahre vor „Mein Kampf (mit den Bananen)“ verfasst.

Ein Cassowary-Warnschild: Diese exotischen, straußenartigen Vögel greifen gerne Menschen und sogar fahrende Autos an...

Das erfuhren wir aber leider erst, NACHDEM dieses stattliche Exemplar unseren Weg kreuzte. Zum Glück war es friedlich

Ein Teil der Produktionshalle auf der Bananenfarm, so, wie ich ihn liebe - ohne arbeitende Menschen

Unser offizielles Weihnachtsbild: Am Heiligabend gabs Pizza, Softdrinks und stimmungsvolle Teelichter. Merry Christmas!

Dienstag, 27. Dezember 2011

Balladen im Bananenhain

Die Überschrift verrät es schon: Keine Mangos. Stattdessen Bananen. Und zwar haufenweise. Aber alles der Reihe nach:
Vorletzten Donnerstag um 13:25 Uhr startete die längste Zugfahrt unseres Lebens. Vor uns lagen siebenundzwanzig Stunden und fünfundfünfzig Minuten in einem zum Glück geräumigen und gut klimatisierten Abteil. Vor dem Fenster zog die Landschaft im Schneckentempo vorbei. Langsamer als der Trödelzug schien sich nur der Zeiger meiner Armbanduhr zu bewegen. Die Fahrt verlief bis auf eine Ausnahme ereignislos: Wir trafen einen echten DDR-Flüchtling, der vor vierzig Jahren im zweiten Anlauf über Österreich in die BRD floh und dann nach Australien kam. Beim ersten Versuch war er noch geschnappt wurden und musste fünf Jahre hinter Gittern verbringen.
Irgendwie haben wir unsere Odyssee auf Gleisen überlebt, denn am Freitag um 17:20 Uhr stolperten wir vom Zug auf den einzigen Bahnsteig in Innisfail und wurden sogleich von der tropischen Hitze erschlagen. Der erste Eindruck hätte besser sein können: Der Besitzer unseres neuen Hostels hatte uns versichert, dass er uns vom Zug abholen würde, doch nach einer halben Stunde war er immer noch nicht da. Zum Glück wussten wir so ungefähr, wo das Hostel sein müsste. Also machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Als wir nach einer hitzebedingten Pause und mindestens zwei Litern Schweißverlust ankamen, mussten wir feststellen, dass es überhaupt keine Rezeption gab und sich niemand für die Verwaltung verantwortlich fühlte. Der Besitzer hätte schon sein Wochenende begonnen, sagte man uns. Es blieb uns also nichts Anderes übrig als zu warten.
Schließlich kam doch noch jemand. Ein Haushälter brachte uns zu einem anderen Hostel, das aber demselben Besitzer gehörte. Auch hier hätte der erste Eindruck besser sein können. Ach was, genug der Euphemismen, der erste Eindruck hätte nicht schlechter sein können! Die Sauberkeit der Räume ließ keine Zweifel daran, dass die menschlichen Hostelbewohner nur eine Spezies in einem vielfältigen Biotop von Insekten, Echsen, Nagern und noch mehr Insekten waren. Auf allen Geländern hingen dreckige und stinkende Arbeitssachen und als kleiner Bonus war unser neues Zimmer für jedermann (und jedes Tier) zugänglich, da eine Fensterscheibe fehlte. Warum ich das alles in der Vergangenheitsform schreibe, weiß ich selber nicht so genau, denn wie ihr euch denken könnt, sind wir immer noch hier. Aber man gewöhnt sich an alles. Mittlerweile finde ich es gar nicht mehr so schlimm. Wir haben sogar erfahren, dass wir mit unserem Raum großes Glück hatten (trotz der nicht vorhandenen Fensterscheibe), weil er einer der wenigen ist, in denen die Klimaanlage noch funktioniert. Und das bei fast konstanten Temperaturen um 34° Celsius.
Einen Vorteil hat das Hostel aber: Wir sind ziemlich schnell an Arbeit gekommen. Am Freitagabend sind wir angekommen, am Montagmorgen begann unser erster Arbeitstag. Aufstehen müssen wir um halb sechs, Arbeitsbeginn ist 6:40 Uhr. Wir arbeiten vierzig Stunden pro Woche. Die Arbeit ist wirklich anstrengend – körperlich, aber vor allem psychisch. Spätestens nach einer Stunde am Fließband oder draußen im Bananenhain kehrt nämlich tödliche Langeweile ein und die Zeit scheint einfach nicht vergehen zu wollen. Ich versuche mich dadurch abzulenken, dass ich Gedichte und Balladen rezitiere („John Maynard“, „Prometheus“, „Osterspaziergang“, „Der Erlkönig“) oder im Kopf das große 1x1, die Primzahlen bis 100, die Quadratzahlen von 1 bis 900 und die Zweierpotenzen bis 228 (=268.435.456) durchgehe. Wenn mein Repertoire erschöpft ist, fange ich einfach an die Bananen zu zählen, die durch meine Hände gehen und stelle mir vor, wie möglicherweise in einigen Wochen einer von euch in Deutschland oder anderswo auf der Welt ein paar Bananen kauft, die hier von mir geschnitten wurden. Vielleicht fange ich ja aus lauter Langeweile an, Botschaften in die Bananenschalen zu ritzen. Wenn ihr also mal eine Banane sehen solltet, auf der „Hier öffnen“ oder „Nicht zur analen Einführung bestimmt“ steht, dann könnt ihr euch ziemlich sicher sein, dass ich meine Finger im Spiel hatte.

Heute gibt es leider keine Bilder, da das Internet hier einfach zu langsam ist. Sorry!

Dienstag, 13. Dezember 2011

Wie ich nicht zum Dschungelkönig wurde und andere Geschichten aus „Hundertundeine Nacht“


Ja, lieber Leser, deine erste Assoziation war richtig. Die Überschrift bezieht sich auf die RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du bei dem Wort „Dschungelkönig“ nicht an das Dschungelbuch denkst oder an einen Aztekenherrscher, sondern dir sofort Trash-TV in den Sinn kommt. Das passiert. Ich kann dir deswegen keinen Vorwurf machen, denn ich wäre beinahe selber Teil des Dschungelcamps geworden. Das kam so:
Letzten Donnerstag haben wir das Hostel gewechselt. Das lag zum einen daran, dass die zweite Woche im „Backpacker Resort“ erheblich teurer geworden wäre. Zum anderen lag es an der Hugh-Hefner-Küche. Auf meiner Erkundungstour durch das neue Hostel (Es trägt übrigens den originellen Namen „Somewhere to stay“.) fand ich das RTL-Jobangebot an einer Pinnwand. Es fiel mir sofort ins Auge, da es mit dem übergroßen Slogan der Sendung versehen war. Gesucht wurden Doubles, die Anfang Januar fünf Tage im Dschungelcamp in Coolangatta (rund 100 km von Brisbane entfernt) verbringen, wo später dann die eigentliche Show mit den richtigen „Stars“ gedreht wird. Ich kann zwar mit gewissem Stolz behaupten, noch keine einzige Folge dieser meiner Meinung nach schwachsinnigen Show gesehen zu haben, doch diese zwei Wortgruppen bewogen mich dazu, trotzdem mal schnell eine Bewerbungsmail an die angegebene Adresse zu senden: „All inclusive“ und „$250 per day“. Für so viel Geld darf man schon mal seine Prinzipien für ein paar Tage in den Keller sperren. Außerdem heißt es ja: „Kenne deinen Feind“. In der Mail erwähnte ich noch, dass ich bereits in Deutschland als Komparse bei einem Film tätig war und schwuppdiwupp wurde ich von der Produktionsfirma zu einem Vorsprechen eingeladen.
Es machte mich schon ein bisschen stutzig, dass ich zu einem „Vorsprechen“ gehen sollte, denn ich dachte eigentlich, dass ausufernde Dialoge nicht zu meinen Tätigkeitsbereichen als Double zählen würden. Doch wie sich bald herausstellte, war das nicht die einzige Sache, die ich falsch eingeschätzt hatte. RTL hatte nämlich etwas ganz Besonderes mit den „erfolgreichen Kandidaten“ vor. Diese sollten die ganze Show von vorne bis hinten durchspielen, inklusive 24-Stunden-Kameraüberwachung und Dschungelprüfungen. Das so verlockend klingende „all inclusive“ würde tatsächlich aus rationierten Bohnen und Reis bestehen - mit der großzügigen Möglichkeit, sich zusätzliches Essen durch das Bestehen der Prüfungen zu verdienen. Außerdem müsste jeder Bewerber dreimal auf eigene Kosten nach Coolangatta kommen, bevor er den Job sicher hätte: Zum Vorsprechen, zum polizeilichen Check und zur medizinischen Untersuchung. Im Endeffekt erhält man also 1250 Dollar für die gleiche Tortur, die den C-Promis ein paar Wochen später jeweils 50.000 Euro in die Kassen spült. Da der Termin außerdem mit unserem neuen Job (siehe unten) kollidierte, ließ ich die Idee dann doch wieder fahren, Dschungelkönig zu werden. Ist vielleicht auch besser so, denn sonst hätte ich eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen und könnte mich nicht auf meinem Blog über RTL und deren hirnverbrannte Sendungen auslassen.
Wer gestern zufälligerweise meinen ultrakurzen Eintrag gelesen hat, hat wahrscheinlich mitgekriegt, dass wir jetzt genau 101 Tage in Australien sind. Um das zu feiern, fahren wir am Donnerstag noch weiter nach Norden, wo es zur Zeit ständig regnet, um dort einen richtigen Knochenjob mit 60-Stunden-Woche auszuüben, der zu allem Überfluss auch noch ausufernden Kontakt mit giftigen Pflanzenteilen und ganzen Schwärmen von Moskitos der allerübelsten Sorte beinhaltet. Hört sich gut an, oder? Zur Erklärung: Wir haben Jobs als Mangopflücker in der verkannten Metropole Innisfail (8300 Einwohner) südlich von Cairns ergattert. Und das trotz der Warnungen von nahezu jedem Backpacker, der uns bis jetzt über den Weg gelaufen ist. Eine kurze Internetrecherche erklärte auch ziemlich schnell die Vorbehalte, die alle gegen die Mangoernte haben. Die Schale der Frucht sondert nämlich ein Sekret ab, das das Pflanzengift Urushiol beinhaltet. Dieses kann bereits nach wenigen Stunden starken Juckreiz, Brennen, Anschwellen, Nässen und sogar Blasenbildung der Haut verursachen. Hier ist ein Bild, das ich im Internet gefunden habe. Es zeigt die Auswirkungen des Kontakts von Urushiol mit der Haut nach rund 48 Stunden:


Mit diesem appetiterregenden Bild kann ich natürlich nicht meinen Blogeintrag beenden, deshalb erzähl ich jetzt noch schnell, dass Nils und ich zu den Glücklichen gehören, die die Mondfinsternis nahezu wolkenfrei genießen konnten. Bei uns spielte sich das Ganze zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens ab. In Ermangelung von Stühlen haben wir uns einfach mitten auf die Straße gesetzt und haben uns durch das ständige Nach-Oben-Starren einen steifen Nacken geholt, aber das war es allemal wert.

Brisbane bei Nacht - Blick von der Bibliothek über den Brisbane River auf den Central Business District

Der Mond im Kernschatten der Erde

Allmählicher Austritt aus dem Kernschatten

Ein Possum auf der Pirsch

Montag, 12. Dezember 2011

Ja, ich weiß...

...dass gewisse Personen aus meiner nahen Verwandtschaft einen Jubiläumseintrag zum 100. Tag in Australien erwartet haben, aber ich habe heute einfach keine Lust, einen neuen Eintrag zu schreiben. Ich lasse mir nicht von einem Kalender vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe! Das war eine Anspielung auf Loriot. Vielleicht kommt ja morgen etwas. "101 Dalmatiner - Das Leben in Australien ist mehr als nur schwarz und weiß" oder sowas in der Art. Mal schauen.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Orange trägt nur die Müllabfuhr!


Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht. Da es die gute ohne die schlechte Neuigkeit nicht geben würde, muss ich wohl mit letzterer beginnen: Ich wurde beklaut. Es passierte an unserem vorletzten Tag in unserem Hostel in Hobart. Vor dem Einschlafen schaute ich mir noch einen Film auf meinem Netbook an und benutzte dabei die weißen Kopfhörer meines MP3-Players. Schlaftrunken ließ ich danach beides direkt neben mein Bett fallen und schlief ein. Am nächsten Morgen war das Netbook noch da, aber ich konnte meine Kopfhörer nicht mehr finden. Ich durchwühlte den beträchtlichen Berg an Krimskrams, der sich neben meinem Bett angesammelt hatte – die Kopfhörer waren nicht dabei. Ich durchsuchte sogar meinen ganzen Rucksack, obwohl ich mich ganz genau erinnern konnte, sie direkt neben mein Bett und nicht in die Tasche geworfen zu haben. Aber auch da waren sie nicht. Langsam machte sich bei mir der Verdacht breit, dass einer meiner Zimmergenossen ein erbärmlicher Langfinger ist. Dieser Verdacht wurde noch dadurch bestärkt, dass plötzlich Nils seinen Reiseadapter vermisste. Man könnte jetzt natürlich einwenden, dass ein Dieb sicher das Netbook und nicht die vergleichsweise billigen Kopfhörer geklaut hätte. Ein normaler Dieb vielleicht schon. Aber nicht unserer. Unser Dieb war nämlich ein geistig außerordentlich beschränkter Zeitgenosse, wie sich bald herausstellte.
Die gute Nachricht ist: Ich hab meine Kopfhörer wieder und auch Nils musste nicht lange ohne seinen Adapter auskommen. Das haben wir der Dummheit (Oder war es pure Dreistigkeit?) des Langfingers zu verdanken. Ich kam nämlich am Abend desselben Tages ins Zimmer und sah den Niederländer* auf seinem Bett liegen. Er hörte Musik von seinem Laptop – mit weißen Kopfhörern. Ich behaupte zwar nicht, der einzige Mensch mit weißen Kopfhörern zu sein, aber am Tag vorher hatte er noch laut einen Film angeschaut. Warum sollte er plötzlich die Vorzüge seiner eigenen Kopfhörer entdeckt haben? Ich wollte einfach nur sichergehen. Ich brauchte eine Ausrede, um mir die Dinger genauer ansehen zu können. Also ging ich zu seinem Bett und fragte ihn, ob ich mir mal seine Kopfhörer ausleihen könne, weil ich mit meiner Familie skypen wolle und leider die Lautsprecher meines Netbooks nicht funktionieren würden. Das war zugegebenermaßen nicht gerade eine glaubwürdige Ausrede, aber für unseren kleinwüchsigen van Blödhorst reichte es. Er gab mir also „seine“ Kopfhörer, die ich nach einer halben Sekunde als meine erkannte.
Ich fasse noch einmal zusammen: Da stiehlt jemand die Kopfhörer eines Zimmergenossens, während dieser keine zwanzig Zentimeter entfernt liegt und den Schlaf der Gerechten schläft. Dann benutzt er ebendiese Kopfhörer zum Musikhören, während der Beklaute hellwach im selben Raum ist. Zu guter Letzt „verleiht“ er dem Beklauten die Kopfhörer, anstatt einfach zu sagen: „Ne, tut mir leid, die brauch ich gerade selber“ (Was ja sogar gestimmt hätte). Zieht eure eigenen Schlüsse, nur - wie bekloppt kann man eigentlich sein?
Es hätte mich nicht gewundert, wenn er auch noch seinen Laptop mit Nils‘ Reiseadapter geladen hätte. Doch so leicht machte er es uns dann doch nicht. Nils musste den ganzen Rucksack des Niederländers durchsuchen, um schließlich seinen Adapter in einer Plastiktüte zu finden. Und was machte Hein Blöd? Der behauptete zwar steif und fest, dass das Zeug ihm gehören würde, doch die merkwürdige grüne Farbe, die sein Gesicht dabei annahm, ließ keine Zweifel an den rechtmäßigen Eigentumsverhältnissen übrig. Nils und ich konnten zum Glück noch am selben Abend das Zimmer wechseln, und als wir am nächsten Morgen die Rezeption über den Diebstahl informieren wollten, war unser Niederländer schon verschwunden. Sei’s drum, wir hatten unsere Sachen wieder.
Letzten Donnerstag sind wir wie angekündigt nach Brisbane geflogen. Unser neues Hostel hat den Namen „Brisbane Backpacker Resort“ wirklich verdient. Es gibt einen Pool mit angrenzendem Whirlpool, ein Tennisfeld mit Basketballkorb, eine Tischtennisplatte, einen Billardtisch und eine Wii-Konsole. Leider sind die Zimmer ziemlich klein und die Küchenutensilien sind schmutziger als Hugh Hefners Gedanken. Auch die Vorzüge des Pools konnten wir noch nicht genießen, denn das Wetter spielt mal wieder nicht mit. „Brisbane hat rund 300 Sonnentage pro Jahr“ - So steht es im Reiseführer und auf jedem Autokennzeichen ist zu lesen: „Queensland – The Sunshine State“. Welche Ironie, dass wir bisher sechs Tage lang einen bedeckten Himmel hatten.

*Da er erst am Tag zuvor ins Zimmer gekommen war, kenne ich seinen Namen nicht. Deshalb heißt er hier nur „der Niederländer“. Man kann ihn sich wie eine Art Heintje vorstellen, der mit zehn aufgehört hat zu wachsen: Blonde Haare und maximal 1,50m groß.

Eines der Badezimmer in Hobart, das von uns gereinigt wurde - riecht ihr das Bleichmittel?
Kein Blogeintrag ohne zusammenhangsloses Tierfoto...

Eine schöne Metapher für die Verdrängung einer einheimischen Art (links im Bild) durch eine invasive Art (rechts), in diesem Fall der gemeine Backpacker (backpackus communia)

Das Möchtegern-London-Eye von Brisbane
Eine ausgewogene Ernährung - Das Waschpulver links im Bild sorgt für die nötigen Vitamine

Dienstag, 29. November 2011

Towel & Bleach

Was man nicht alles tut, um in Australien über die Runden zu kommen. Da stellt man sich in ein Kaufhaus und belästigt wehrlose Leute. Oder man läuft in Melbourne jeden Tag fünfzehn Kilometer von Restaurant zu Restaurant und sammelt Speisekarten ein. Oder – der neueste Schrei – man kratzt Schimmel von Zimmerdecken und reinigt Toiletten und Duschen. Ja, Nils und ich haben unsere Hausfrauenseite entdeckt. Doch das geschah nicht aus purer Freude am Putzen, sondern aufgrund des Bedürfnisses, uns den Aufenthalt in Hobart zu finanzieren. So kam es, dass wir mit der ehrenhaften Aufgabe betraut wurden, über zwei Tage verteilt alle zehn Badezimmer unseres Hostels zu reinigen. Das erklärt auch die Überschrift: Was sich nämlich wie eine renommierte New Yorker Anwaltskanzlei oder ein englisches Ermittlerduo in einer neuen Krimiserie anhört, waren in Wirklichkeit unsere zwei Hauptwaffen im Kampf gegen den Schmutz in unserem Hostel. Mit Eimern, Putztüchern („Towels“), Schwämmen, Bürsten, Scheuermilch, Bleichmittel („Bleach“), Desinfektionsspray und einer Leiter bewaffnet rückten wir dem Dreck zu Leibe. Und davon gab es reichlich. Wobei wir feststellen mussten, dass Frauen doch größere Schweine als Männer sind, jedenfalls was das Verhalten im Badezimmer anbelangt. Auf dem Boden lagen Abschminktücher verstreut, das Waschbecken strotzte vor langen Haaren und überall klebten Kaugummis. Dazu kam noch der appetitliche Schimmel an der Decke, der bei mir unangenehme Erinnerungen an vergessene Brotbüchsen im Schulranzen hervorrief*.
Aber was soll’s, wir erhielten für die zehneinhalb Stunden dauernde Schufterei fünf kostenlose Übernachtungen und 60 Dollar cash auf die Hand. Das entspricht einem Stundenlohn von umgerechnet 11,68 €. Na bitte, ist doch ganz ordentlich!
Am vergangenen Freitag hatte ich einen Tagesausflug in den Freycinet National Park an Tasmaniens Ostküste. Diese Tour und insbesondere ein spezieller Strand, den wir während des Ausflugs besuchten, waren für mich die Highlights in Tassie und einer der Hauptgründe, warum ich überhaupt hier herkommen wollte. Wineglass Bay (siehe Foto unten) gehört zu den zehn schönsten Stränden der Welt. Leider haben die Tasmanier nicht allzu viel von ihren traumhaften Stränden, weil die Wassertemperaturen über die meiste Zeit des Jahres viel zu kalt zum Baden sind. Auch ich konnte nicht ins Wasser, doch dafür genoss ich die tolle Landschaft umso mehr. Auf dem Rückweg legten wir dann noch einen Zwischenstopp bei einer Beerenfarm ein, wo ich das beste Eis (Heidelbeere und – gar nicht fruchtig – Schokolade) seit langem aß.
Zwei tolle Wochen in Tasmanien neigen sich nun dem Ende zu. Am Donnerstag fliegen wir zwei rastlose Packesel nach Brisbane weiter. Dort wartet endlich die lang ersehnte Wärme auf uns. Kein Wunder, denn wir fliegen vom 42. zum 27. Breitengrad. Auf der Nordhalbkugel würde dieser Trip einer Reise von Korsika bis ins Herz der Sahara oder von Chicago in Illinois nach Tampa in Florida entsprechen. Als ich gestern nach Hostels in Brisbane suchte, stellte ich dann auch erfreut fest, dass anscheinend im subtropischen Queensland ein Swimming Pool zur Standardausstattung eines jeden Hostels gehört. Halleluja!

*Kleine Anekdote: Ich habe mal eine Scheibe Brot mit Leberwurst über die Sommerferien in meiner Schultasche liegen lassen. Das Ergebnis dieses unfreiwilligen Experiments hätte wahrscheinlich jeden Biologen in Verzückung versetzt. Nicht nachmachen!

Zu unseren Aufgaben als Putzkräfte gehörte es auch, einen Gefrierschrank zu enteisen - natürlich australisch-improvisiert mit einem Föhn

Lagunen im Freycinet National Park

Ausblick auf dem Weg zur Wineglass Bay

Wineglass Bay aus der Ferne. Näher bin ich aus Zeitgründen leider nicht heran gekommen
Alle wollen dieses EINE Foto...

Spektakuläre Gesteinsformationen im Nationalpark

Sleepy Bay. Flechten sind für die orangefarbenen Felsen verantwortlich

Dieser Ausflug war die Belohnung für zwei Tage Schimmelschippen und Haarehorten

Die Belohnung für die Belohnung...

Wäschetrocknen auf Backpacker-Art: Improvisierte Wäscheleine

Sonntag, 20. November 2011

Jetzt also auch noch Under Down Under…

Immer wenn man denkt, man kann nicht mehr tiefer sinken, geht es noch ein Stück weiter nach unten. Beziehungsweise nach Süden. In unserem Fall ging es von Melbourne nach Tasmanien, vom australischen Festland auf die sechsundzwanzigst größte Insel der Welt. Oder mit anderen Worten: Von Down Under nach Under Down Under. Man könnte langsam den Eindruck gewinnen, wir liefen vor dem Sommer davon. Sobald irgendwo das Thermometer regelmäßig über 25 Grad klettert, fliehen wir zielgerichtet weiter nach Süden, wo es noch kälter ist. Doch damit ist jetzt Schluss, schon allein aus geografischen Gründen. Weiter südlich geht es in Australien einfach nicht. Da müssten wir schon in die Antarktis reisen. Doch dort sieht es ja bekanntermaßen mit Fruitpicking-Jobs eher mau aus und auch Backpacker-Hostels sind im ewigen Eis eine überaus seltene Erscheinung. Deshalb lassen wir das lieber und bleiben hier.
Tasmanien gibt sich auch große Mühe, uns zum Bleiben zu bewegen. Die Insel und besonders die Hauptstadt Hobart sind wirklich faszinierend. Hobart ist die zweitälteste Stadt Australiens, nur Sydney wurde früher gegründet. Dementsprechend viele schöne alte Häuser gibt es hier. Der Hafen ist ansehnlich und auch die botanischen Gärten sind einen Abstecher wert, wenn man denn dort ankommt. Ich schreibe das, weil wir Zwei große Probleme hatten, das verdammte Grünzeug zu finden. Das lag zum einen daran, dass sich unsere spartanische Stadtkarte auf die fünf Straßenzüge beschränkte, die Hobarts winziges Zentrum bilden und die botanischen Gärten rund drei Kilometer außerhalb der Stadtmitte angelegt wurden. Zum anderen lag es an unserer Abenteuerlustigkeit, Wegbeschreibungen von höflichen Ortskundigen zu ignorieren und stattdessen halb versteckte Trampelpfade zu benutzen, die den Eindruck erweckten, als entstammten sie schlecht gemachten Horrorfilmen und führten direkt zum Pfefferkuchenhaus der bösen Hexe oder zum Dorf der tasmanischen Killer-Zombies. Gefressen wurden wir nicht, aber nachdem wir uns eine Viertelstunde durchs Dickicht gekämpft hatten, standen wir plötzlich an einem acht Meter hohen Steilhang. Nach unserem Abstieg, der Reinhold Messner stolz gemacht hätte, fanden wir uns auf einem Highway wieder. Das wurde ja immer besser! Also liefen wir noch einen Kilometer am Rand der Schnellstraße entlang, ehe wir den erlösenden Wegweiser erblickten: Royal Botanical Gardens. Yes!
Das war am Mittwoch. Am Freitag nahmen wir die Besteigung des Mount Wellingtons in Angriff. Der Mt. Wellington thront über Hobart wie der Vesuv über Neapel. Nur ohne die gelegentliche todbringende Eruption, denn merke: Es ist ein Berg, kein Vulkan. Auch wenn man ihn leicht für einen Vulkan halten könnte, so oft wabert Rauchschwaden ähnlicher Nebel um den Gipfel. Ein Bus brachte uns zum Fuß des Berges. Von dort war es ein zwölf Kilometer langer Fußmarsch bis zur Spitze, der uns sowohl über 800 Höhenmeter als auch mehr als einmal uns selbst überwinden ließ. Dafür wurde man auf dem Gipfel mit einer phänomenalen Aussicht belohnt, auch wenn es bei orkanartigen Böen und Regen relativ schwer war sie zu genießen. Auf dem Rückweg war ein Pärchen aus Perth (Western Australia) so freundlich, uns in ihrem Mietwagen mitzunehmen, sodass wir nicht die ganze Strecke zurücklaufen mussten.
Gestern verbrachten wir den Vormittag auf dem Salamanca Market, dem berühmtesten Wochenmarkt Tasmaniens. Dort gab es neben schönen Postkarten (Ja, Omas und Opas, jetzt seid ihr endlich auch dran ;)) sogar echte deutsche Bratwürste zu kaufen. Ich weiß, dass sie echt waren, weil ich mir selber eine gegönnt habe. Da kam schon ein wenig Heimweh auf, denn mit den australischen Würsten kann ich mich beim besten Willen nicht anfreunden.
Hobart und Tasmanien sind wunderschön, doch wir wollen hier keine Wurzeln schlagen. Das nächste Ziel heißt Brisbane. Oder Cairns. Oder wieder Melbourne. Es geht auf jeden Fall wieder aufwärts. Also nach Norden. Ins Warme.

Der Abschied aus Melbourne bedeutete auch den Abschied von meiner Speisekarten-Sammler-Gang

Dieser herrenlose Einkaufswagen erleichterte uns die nächtliche Wanderung durch Melbournes Straßen ungemein

Der arme Behinderte im Flughafenterminal...Moment mal! Wie kann der Rollstuhlfahrer den riesigen Rucksack tragen?

Endlich mal Drumsticks, die meiner holzbrechenden Spielweise gewachsen sind...

Ähm, Paul, war hier nicht eben noch ein Weg, der geradeaus geführt hat?!?

Der einzige Park, den wir für lange Zeit gesehen haben, war der Royal Australian Fuhrpark

Schon besser...hat sich die Odyssee doch noch bezahlt gemacht

Eine Aussichtsplattform auf halber Höhe des Mt. Wellingtons, die den Namen eigentlich nicht verdient

1270 Meter über dem Meeresspiegel. Der orkanartige Wind gibt mir das Gefühl, ein Latexkostüm zu tragen

Weihnachtsumzug in Hobart: Wetten, dass der Weihnachtsmann gehörig ins Schwitzen gerät?

German Sausages auf dem Salamanca Market: "Pork Bratwurst with Sauerkraut" - Denglisch also auch in Australien

Nach beinahe drei Monaten Abstinenz hatten wir das Fahrradfahren fast verlernt

Das Tierfoto der Woche darf natürlich nicht fehlen. Dieses Mal: Das tragische Ende einer ungleichen Beziehung ("Was soll das heißen, ich soll mir mal wieder die Beinhaare rasieren? Na warte, du Sch(m)eißfliege!")

Sonntag, 13. November 2011

Leben und Überleben in „The Lucky Country“


Ja, so nennen die Australier das Land, in dem sie leben. Und sie haben in vielerlei Hinsicht recht damit. Australien ist mit atemberaubenden Naturwundern, reichen Bodenschätzen und viel Sonnenschein gesegnet. Hier gibt es einzigartige Tiere und Pflanzen in einer Vielfalt, die auf dem Planeten ihresgleichen sucht. Jeder hat genug Platz für sich, denn Australien ist so dünn besiedelt, dass es durchaus üblich ist, die Bevölkerungsdichte nicht in Einwohner pro Quadratkilometer, sondern in Quadratkilometer pro Einwohner anzugeben. Auch finanziell leben die Aussies scheinbar auf der Sonnenseite: Das Durchschnittseinkommen eines Vollzeit-Arbeitnehmers beträgt 1183 Dollar – pro Woche. Selbst als Backpacker kann man – wenn man denn einen Job ergattert – ohne große Schwierigkeiten 600 bis 800 Dollar für eine Woche Arbeit bekommen, und das für Tätigkeiten, die sogar ein normalbegabter Schimpanse ausüben könnte.
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Da die Gehälter so hoch sind, sind es die Preise logischerweise auch. Eine normalgroße Tafel Schokolade (also keine 300-Gramm-Milka-Monsterschokolade) kostet rund drei Dollar. Für ein Kilo Bananen bezahlt man zurzeit fünf Dollar, aber vor nicht mal einem Monat haben sie sogar noch 13 Dollar gekostet. Für einen Döner Kebab (Ja, sogar Döner gibt es in Australien, er heißt hier allerdings Doner Kebab.) werden zwischen 7,50 und 10 Dollar verlangt, je nach Lage der Dönerbude. Bei Tabakwaren und Alkohol hört der Spaß dann vollends auf. Mich als Anti-Raucher interessieren die Zigarettenpreise zum Glück nicht wirklich, und auf Alkohol kann ich auch verzichten, aber erwähnt werden muss es doch: Eine Packung (nein, keine Stange, eine Packung) Zigaretten kostet Down Under zwischen 16 und 22 Dollar. Wenn ich Raucher wäre und aufhören wollte, würde ich wahrscheinlich nach Australien ziehen. Doch die Aussies scheint das nicht weiter zu stören. Hier wird munter gequalmt und schon früh am Morgen einer gehoben, auch wenn Trinken in der Öffentlichkeit weitgehend verboten ist und ein Sixpack Dosenbier im Liquor Store 14 Dollar kostet. Es ist wirklich zum Abgewöhnen. Zu den wenigen Dingen, die hier billiger als in Deutschland sind, gehören Benzin und Kiwis. Kann man mit diesen zwei Zutaten etwas Gehaltvolles kochen? Ich wäre sehr dankbar für Vorschläge…
Auch die fantastische Natur hat ihre Tücken. Wie schon häufig erwähnt, gibt es in Australien die giftigsten Schlangen, Spinnen und Quallen der Welt. Vom „Großen Weißen Hai“ und anderen kuscheligen Tierchen ganz zu schweigen. Die Hitze des Outbacks ist gnadenlos und hat schon so manchem Abenteurer das Leben gekostet*. In den Küstenregionen drohen riesige Waldbrände, die alle paar Jahre wüten und jedes Mal Dutzende Opfer fordern. Oder – das andere Extrem – Überschwemmungen schneiden ganze Dörfer von der Außenwelt ab und zerstören die Ernte.
Dann gibt es ja auch noch das Ozonloch. Es ist dafür verantwortlich, dass Australien die höchste Hautkrebsrate der Welt hat und dass der Tasmanische Teufel langsam aber sicher ausstirbt, weil 75 Prozent der Tiere an den Folgen von Gesichtstumoren verenden. Der Sommer hat noch nicht einmal begonnen, trotzdem gibt es jetzt schon jeden Tag UV-Alarm in Melbourne, selbst wenn der Himmel bedeckt ist.
Aber ich will nicht meckern. Ich habe einen klasse Job, der mir viel Spaß macht und gutes Geld einbringt. Das Beste sind natürlich die Arbeitszeiten: meistens von fünf Uhr am Nachmittag bis halb zehn am Abend. Dafür muss ich auch am Wochenende arbeiten, aber das kümmert mich herzlich wenig. Doch morgen ist leider schon mein letzter Arbeitstag, denn am Dienstag fliegen wir zwei nach Tasmanien. Inlandsflüge sind in Australien eine der günstigsten Möglichkeiten, um die enormen Distanzen zu überwinden. Noch billiger sind nur Busse, aber die geografischen Gegebenheiten machen es relativ schwer, Tasmanien mit dem Bus anzusteuern. Was machen wir in Tassie? Sehr unwahrscheinlich, dass wir einen Tasmanischen Teufel vor der tödlichen UV-Strahlung retten oder einen Buschbrand miterleben. Möglich, dass wir auf giftige Spinnen, Schlangen oder sonstiges treffen. Sicher, dass wir uns weiter mit den horrenden australischen Preisen herumschlagen werden.

*Diejenigen, die bei der Erforschung des Outbacks ums Leben gekommen sind, werden hier in Australien als Nationalhelden verehrt.

Eine typische Woche in Melbourne. Aber das Wochenende war echt genial, wie man sieht

Luna Park, ein Vergnügungspark am St. Kilda Beach. Die Fratze von Mr. Moon begrüßt die kleinen Kinder am Eingang

Die selbsterteilte Belohnung für mein erstes Gehalt in Australien...von Aldi, natürlich :)