Donnerstag, 29. Dezember 2011

Das Innisfail-Syndrom

Fast zwei Wochen in der Hölle habe ich hinter mir. Ich habe ja bereits im letzten Eintrag beschrieben, wie ich versuche, die tödliche Langeweile am Fließband zu vertreiben. Das klappt auch eine Zeit lang ganz gut, aber irgendwann gehen mir eben die Zahlen und Gedichte aus. Dann bleiben mir nur noch zwei Möglichkeiten: Ich kann entweder anfangen, mit meinem Oberkörper rhythmisch nach vorne und hinten zu wippen und dabei ausgedehnte Selbstgespräche über Porzellan-Teeservices zu führen (Merke: Ganz schlechte Idee, auch wenn kein Mensch versteht, worüber man mit sich selbst redet) oder ich versuche, den um sich greifenden Wahnsinn nur auf mein Gehirn zu beschränken. Das ist auch keine so gute Idee, denn dabei können die absurdesten Gedankenkonstrukte entstehen. Aber lest selbst:
Ich habe festgestellt, dass ich eine abgrundtiefe Abneigung gegen den Mann entwickelt habe, der vor mir am Fließband steht. Ach was, Abneigung, wohl eher blanker Hass! Er ist Mitte vierzig, hat einen Schnauzer und stammt von den Philippinen. Versteht mich nicht falsch, ich habe weder etwas gegen Mittvierziger noch gegen die Philippinen. Selbst Schnauzer kann ich ertragen. Ganz im Gegenteil, ich finde sogar, dass er ein netter und hart arbeitender Mann ist, der sicher nur seine Familie ernähren will. Trotzdem stelle ich mir manchmal vor, wie ich ihm einen qualvollen Tod bereite. Woher kommt dieser Hass? Ich hasse ihn, weil er dafür sorgt, dass sich das Fließband vor mir niemals leert. Er schneidet Bananen, immerzu, wie eine gottverdammte Maschine. Er hält mich am Arbeiten, neun Stunden am Tag, und dafür wünsche ich ihm die Pest an den Hals. In meiner Wahnwelt bezeichne ich diesen psychologischen Effekt der Akkordarbeit als „Innisfail-Syndrom“, frei nach dem berühmt-berüchtigten Stockholm-Syndrom. Am Innisfail-Syndrom leidet demnach, wer am Fließband arbeitet und eine irrationale Abneigung gegen seinen Vorarbeiter entwickelt. Diagnose gelungen – Patient geheilt? Mitnichten! Das Innisfail-Syndrom ist ziemlich hartnäckig und nur durch Kündigung heilbar. Es wird also noch eine Weile dauern, bis ich davon loskomme. Vielleicht sollte ich in der Zwischenzeit ein Patent auf den Namen anmelden.
Eine weitere Frucht meiner verqueren Gedankengänge war die Einsicht, wie sehr so eine Bananenplantage einem totalitären Regime gleicht. Die Gemeinsamkeiten sind wirklich verblüffend. Sowohl in einem totalitären Regime wie dem Dritten Reich als auch auf einer Bananenfarm gilt das Führerprinzip. Jeder Arbeiter untersteht einem Vorarbeiter und hat dessen Anweisungen bedingungslos Folge zu leisten. Dieser Vorarbeiter wiederum hat einen Boss, der aber auch nur auf das Kommando des uneingeschränkten Tyrannen hört, dessen Willkür die gesamte Plantagen-Gesellschaft unterworfen ist: Der Farmer. Er und seine Familie gehören zu den wenigen Fanatikern, auf denen das gesamte System beruht. Der Rest der Belegschaft sind nur Mitläufer bzw. Opportunisten, die zu ihrem eigenen Vorteil alles für den Farmer tun würden.
Doch all die Arbeiter, Vorarbeiter und der Farmer selbst bilden nur die Spitze der Gesellschaftspyramide. Die breite Basis besteht aus den Bananen. Sie werden erbarmungslos ausgebeutet und vom Farmer als Machtinstrument missbraucht, denn er weiß: Wer die Bananen kontrolliert, kontrolliert die gesamte Plantage. Bei den Bananen kommen die Prinzipien des Totalitarismus‘ am deutlichsten zum Vorschein: Das Individuum wird unterdrückt (Einzelbananen werden aussortiert), jede Form von Andersartigkeit wird rigoros verfolgt und ausgemerzt, egal ob beruhend auf Äußerlichkeiten (zu krumme,  zu gerade, zu gelbe, zu braune, zu kleine, ja sogar zu große Bananen) oder auf inneren Werten (zu weiches Fruchtfleisch). Abweichler werden aufgespürt, deportiert und von einer effektiven Tötungsmaschinerie (ein gewaltiger Schredder) ermordet.
Fehlt nur noch, dass der Farmer ein Buch mit dem Titel „Mein Kampf (mit den Bananen)“ schreibt, die Nachbarfarm in einer Nacht-und-Nebel-Aktion überfällt und schließlich allen Mangoplantagen der Welt den totalen Krieg erklärt. Die Mangofarmer antworten wiederum mit der Veröffentlichung des „kommunistischen Mangofests“ (verfasst von Karl Mango und Friedrich Engels) und schon haben wir den 2. Bananenkrieg*. Na toll! Bevor ich das erlebe, werde ich doch lieber geisteskrank und sammle Porzellan-Teeservices!

*Ich bitte die historische Ungenauigkeit zu entschuldigen, denn wie jeder weiß, wurde „Das kommunistische Mangofest“ von Karl Mango und Friedrich Engels 76 Jahre vor „Mein Kampf (mit den Bananen)“ verfasst.

Ein Cassowary-Warnschild: Diese exotischen, straußenartigen Vögel greifen gerne Menschen und sogar fahrende Autos an...

Das erfuhren wir aber leider erst, NACHDEM dieses stattliche Exemplar unseren Weg kreuzte. Zum Glück war es friedlich

Ein Teil der Produktionshalle auf der Bananenfarm, so, wie ich ihn liebe - ohne arbeitende Menschen

Unser offizielles Weihnachtsbild: Am Heiligabend gabs Pizza, Softdrinks und stimmungsvolle Teelichter. Merry Christmas!

Dienstag, 27. Dezember 2011

Balladen im Bananenhain

Die Überschrift verrät es schon: Keine Mangos. Stattdessen Bananen. Und zwar haufenweise. Aber alles der Reihe nach:
Vorletzten Donnerstag um 13:25 Uhr startete die längste Zugfahrt unseres Lebens. Vor uns lagen siebenundzwanzig Stunden und fünfundfünfzig Minuten in einem zum Glück geräumigen und gut klimatisierten Abteil. Vor dem Fenster zog die Landschaft im Schneckentempo vorbei. Langsamer als der Trödelzug schien sich nur der Zeiger meiner Armbanduhr zu bewegen. Die Fahrt verlief bis auf eine Ausnahme ereignislos: Wir trafen einen echten DDR-Flüchtling, der vor vierzig Jahren im zweiten Anlauf über Österreich in die BRD floh und dann nach Australien kam. Beim ersten Versuch war er noch geschnappt wurden und musste fünf Jahre hinter Gittern verbringen.
Irgendwie haben wir unsere Odyssee auf Gleisen überlebt, denn am Freitag um 17:20 Uhr stolperten wir vom Zug auf den einzigen Bahnsteig in Innisfail und wurden sogleich von der tropischen Hitze erschlagen. Der erste Eindruck hätte besser sein können: Der Besitzer unseres neuen Hostels hatte uns versichert, dass er uns vom Zug abholen würde, doch nach einer halben Stunde war er immer noch nicht da. Zum Glück wussten wir so ungefähr, wo das Hostel sein müsste. Also machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Als wir nach einer hitzebedingten Pause und mindestens zwei Litern Schweißverlust ankamen, mussten wir feststellen, dass es überhaupt keine Rezeption gab und sich niemand für die Verwaltung verantwortlich fühlte. Der Besitzer hätte schon sein Wochenende begonnen, sagte man uns. Es blieb uns also nichts Anderes übrig als zu warten.
Schließlich kam doch noch jemand. Ein Haushälter brachte uns zu einem anderen Hostel, das aber demselben Besitzer gehörte. Auch hier hätte der erste Eindruck besser sein können. Ach was, genug der Euphemismen, der erste Eindruck hätte nicht schlechter sein können! Die Sauberkeit der Räume ließ keine Zweifel daran, dass die menschlichen Hostelbewohner nur eine Spezies in einem vielfältigen Biotop von Insekten, Echsen, Nagern und noch mehr Insekten waren. Auf allen Geländern hingen dreckige und stinkende Arbeitssachen und als kleiner Bonus war unser neues Zimmer für jedermann (und jedes Tier) zugänglich, da eine Fensterscheibe fehlte. Warum ich das alles in der Vergangenheitsform schreibe, weiß ich selber nicht so genau, denn wie ihr euch denken könnt, sind wir immer noch hier. Aber man gewöhnt sich an alles. Mittlerweile finde ich es gar nicht mehr so schlimm. Wir haben sogar erfahren, dass wir mit unserem Raum großes Glück hatten (trotz der nicht vorhandenen Fensterscheibe), weil er einer der wenigen ist, in denen die Klimaanlage noch funktioniert. Und das bei fast konstanten Temperaturen um 34° Celsius.
Einen Vorteil hat das Hostel aber: Wir sind ziemlich schnell an Arbeit gekommen. Am Freitagabend sind wir angekommen, am Montagmorgen begann unser erster Arbeitstag. Aufstehen müssen wir um halb sechs, Arbeitsbeginn ist 6:40 Uhr. Wir arbeiten vierzig Stunden pro Woche. Die Arbeit ist wirklich anstrengend – körperlich, aber vor allem psychisch. Spätestens nach einer Stunde am Fließband oder draußen im Bananenhain kehrt nämlich tödliche Langeweile ein und die Zeit scheint einfach nicht vergehen zu wollen. Ich versuche mich dadurch abzulenken, dass ich Gedichte und Balladen rezitiere („John Maynard“, „Prometheus“, „Osterspaziergang“, „Der Erlkönig“) oder im Kopf das große 1x1, die Primzahlen bis 100, die Quadratzahlen von 1 bis 900 und die Zweierpotenzen bis 228 (=268.435.456) durchgehe. Wenn mein Repertoire erschöpft ist, fange ich einfach an die Bananen zu zählen, die durch meine Hände gehen und stelle mir vor, wie möglicherweise in einigen Wochen einer von euch in Deutschland oder anderswo auf der Welt ein paar Bananen kauft, die hier von mir geschnitten wurden. Vielleicht fange ich ja aus lauter Langeweile an, Botschaften in die Bananenschalen zu ritzen. Wenn ihr also mal eine Banane sehen solltet, auf der „Hier öffnen“ oder „Nicht zur analen Einführung bestimmt“ steht, dann könnt ihr euch ziemlich sicher sein, dass ich meine Finger im Spiel hatte.

Heute gibt es leider keine Bilder, da das Internet hier einfach zu langsam ist. Sorry!

Dienstag, 13. Dezember 2011

Wie ich nicht zum Dschungelkönig wurde und andere Geschichten aus „Hundertundeine Nacht“


Ja, lieber Leser, deine erste Assoziation war richtig. Die Überschrift bezieht sich auf die RTL-Show „Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!“ Du brauchst dich nicht dafür zu schämen, dass du bei dem Wort „Dschungelkönig“ nicht an das Dschungelbuch denkst oder an einen Aztekenherrscher, sondern dir sofort Trash-TV in den Sinn kommt. Das passiert. Ich kann dir deswegen keinen Vorwurf machen, denn ich wäre beinahe selber Teil des Dschungelcamps geworden. Das kam so:
Letzten Donnerstag haben wir das Hostel gewechselt. Das lag zum einen daran, dass die zweite Woche im „Backpacker Resort“ erheblich teurer geworden wäre. Zum anderen lag es an der Hugh-Hefner-Küche. Auf meiner Erkundungstour durch das neue Hostel (Es trägt übrigens den originellen Namen „Somewhere to stay“.) fand ich das RTL-Jobangebot an einer Pinnwand. Es fiel mir sofort ins Auge, da es mit dem übergroßen Slogan der Sendung versehen war. Gesucht wurden Doubles, die Anfang Januar fünf Tage im Dschungelcamp in Coolangatta (rund 100 km von Brisbane entfernt) verbringen, wo später dann die eigentliche Show mit den richtigen „Stars“ gedreht wird. Ich kann zwar mit gewissem Stolz behaupten, noch keine einzige Folge dieser meiner Meinung nach schwachsinnigen Show gesehen zu haben, doch diese zwei Wortgruppen bewogen mich dazu, trotzdem mal schnell eine Bewerbungsmail an die angegebene Adresse zu senden: „All inclusive“ und „$250 per day“. Für so viel Geld darf man schon mal seine Prinzipien für ein paar Tage in den Keller sperren. Außerdem heißt es ja: „Kenne deinen Feind“. In der Mail erwähnte ich noch, dass ich bereits in Deutschland als Komparse bei einem Film tätig war und schwuppdiwupp wurde ich von der Produktionsfirma zu einem Vorsprechen eingeladen.
Es machte mich schon ein bisschen stutzig, dass ich zu einem „Vorsprechen“ gehen sollte, denn ich dachte eigentlich, dass ausufernde Dialoge nicht zu meinen Tätigkeitsbereichen als Double zählen würden. Doch wie sich bald herausstellte, war das nicht die einzige Sache, die ich falsch eingeschätzt hatte. RTL hatte nämlich etwas ganz Besonderes mit den „erfolgreichen Kandidaten“ vor. Diese sollten die ganze Show von vorne bis hinten durchspielen, inklusive 24-Stunden-Kameraüberwachung und Dschungelprüfungen. Das so verlockend klingende „all inclusive“ würde tatsächlich aus rationierten Bohnen und Reis bestehen - mit der großzügigen Möglichkeit, sich zusätzliches Essen durch das Bestehen der Prüfungen zu verdienen. Außerdem müsste jeder Bewerber dreimal auf eigene Kosten nach Coolangatta kommen, bevor er den Job sicher hätte: Zum Vorsprechen, zum polizeilichen Check und zur medizinischen Untersuchung. Im Endeffekt erhält man also 1250 Dollar für die gleiche Tortur, die den C-Promis ein paar Wochen später jeweils 50.000 Euro in die Kassen spült. Da der Termin außerdem mit unserem neuen Job (siehe unten) kollidierte, ließ ich die Idee dann doch wieder fahren, Dschungelkönig zu werden. Ist vielleicht auch besser so, denn sonst hätte ich eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen und könnte mich nicht auf meinem Blog über RTL und deren hirnverbrannte Sendungen auslassen.
Wer gestern zufälligerweise meinen ultrakurzen Eintrag gelesen hat, hat wahrscheinlich mitgekriegt, dass wir jetzt genau 101 Tage in Australien sind. Um das zu feiern, fahren wir am Donnerstag noch weiter nach Norden, wo es zur Zeit ständig regnet, um dort einen richtigen Knochenjob mit 60-Stunden-Woche auszuüben, der zu allem Überfluss auch noch ausufernden Kontakt mit giftigen Pflanzenteilen und ganzen Schwärmen von Moskitos der allerübelsten Sorte beinhaltet. Hört sich gut an, oder? Zur Erklärung: Wir haben Jobs als Mangopflücker in der verkannten Metropole Innisfail (8300 Einwohner) südlich von Cairns ergattert. Und das trotz der Warnungen von nahezu jedem Backpacker, der uns bis jetzt über den Weg gelaufen ist. Eine kurze Internetrecherche erklärte auch ziemlich schnell die Vorbehalte, die alle gegen die Mangoernte haben. Die Schale der Frucht sondert nämlich ein Sekret ab, das das Pflanzengift Urushiol beinhaltet. Dieses kann bereits nach wenigen Stunden starken Juckreiz, Brennen, Anschwellen, Nässen und sogar Blasenbildung der Haut verursachen. Hier ist ein Bild, das ich im Internet gefunden habe. Es zeigt die Auswirkungen des Kontakts von Urushiol mit der Haut nach rund 48 Stunden:


Mit diesem appetiterregenden Bild kann ich natürlich nicht meinen Blogeintrag beenden, deshalb erzähl ich jetzt noch schnell, dass Nils und ich zu den Glücklichen gehören, die die Mondfinsternis nahezu wolkenfrei genießen konnten. Bei uns spielte sich das Ganze zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens ab. In Ermangelung von Stühlen haben wir uns einfach mitten auf die Straße gesetzt und haben uns durch das ständige Nach-Oben-Starren einen steifen Nacken geholt, aber das war es allemal wert.

Brisbane bei Nacht - Blick von der Bibliothek über den Brisbane River auf den Central Business District

Der Mond im Kernschatten der Erde

Allmählicher Austritt aus dem Kernschatten

Ein Possum auf der Pirsch

Montag, 12. Dezember 2011

Ja, ich weiß...

...dass gewisse Personen aus meiner nahen Verwandtschaft einen Jubiläumseintrag zum 100. Tag in Australien erwartet haben, aber ich habe heute einfach keine Lust, einen neuen Eintrag zu schreiben. Ich lasse mir nicht von einem Kalender vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe! Das war eine Anspielung auf Loriot. Vielleicht kommt ja morgen etwas. "101 Dalmatiner - Das Leben in Australien ist mehr als nur schwarz und weiß" oder sowas in der Art. Mal schauen.

Dienstag, 6. Dezember 2011

Orange trägt nur die Müllabfuhr!


Ich hab eine gute und eine schlechte Nachricht. Da es die gute ohne die schlechte Neuigkeit nicht geben würde, muss ich wohl mit letzterer beginnen: Ich wurde beklaut. Es passierte an unserem vorletzten Tag in unserem Hostel in Hobart. Vor dem Einschlafen schaute ich mir noch einen Film auf meinem Netbook an und benutzte dabei die weißen Kopfhörer meines MP3-Players. Schlaftrunken ließ ich danach beides direkt neben mein Bett fallen und schlief ein. Am nächsten Morgen war das Netbook noch da, aber ich konnte meine Kopfhörer nicht mehr finden. Ich durchwühlte den beträchtlichen Berg an Krimskrams, der sich neben meinem Bett angesammelt hatte – die Kopfhörer waren nicht dabei. Ich durchsuchte sogar meinen ganzen Rucksack, obwohl ich mich ganz genau erinnern konnte, sie direkt neben mein Bett und nicht in die Tasche geworfen zu haben. Aber auch da waren sie nicht. Langsam machte sich bei mir der Verdacht breit, dass einer meiner Zimmergenossen ein erbärmlicher Langfinger ist. Dieser Verdacht wurde noch dadurch bestärkt, dass plötzlich Nils seinen Reiseadapter vermisste. Man könnte jetzt natürlich einwenden, dass ein Dieb sicher das Netbook und nicht die vergleichsweise billigen Kopfhörer geklaut hätte. Ein normaler Dieb vielleicht schon. Aber nicht unserer. Unser Dieb war nämlich ein geistig außerordentlich beschränkter Zeitgenosse, wie sich bald herausstellte.
Die gute Nachricht ist: Ich hab meine Kopfhörer wieder und auch Nils musste nicht lange ohne seinen Adapter auskommen. Das haben wir der Dummheit (Oder war es pure Dreistigkeit?) des Langfingers zu verdanken. Ich kam nämlich am Abend desselben Tages ins Zimmer und sah den Niederländer* auf seinem Bett liegen. Er hörte Musik von seinem Laptop – mit weißen Kopfhörern. Ich behaupte zwar nicht, der einzige Mensch mit weißen Kopfhörern zu sein, aber am Tag vorher hatte er noch laut einen Film angeschaut. Warum sollte er plötzlich die Vorzüge seiner eigenen Kopfhörer entdeckt haben? Ich wollte einfach nur sichergehen. Ich brauchte eine Ausrede, um mir die Dinger genauer ansehen zu können. Also ging ich zu seinem Bett und fragte ihn, ob ich mir mal seine Kopfhörer ausleihen könne, weil ich mit meiner Familie skypen wolle und leider die Lautsprecher meines Netbooks nicht funktionieren würden. Das war zugegebenermaßen nicht gerade eine glaubwürdige Ausrede, aber für unseren kleinwüchsigen van Blödhorst reichte es. Er gab mir also „seine“ Kopfhörer, die ich nach einer halben Sekunde als meine erkannte.
Ich fasse noch einmal zusammen: Da stiehlt jemand die Kopfhörer eines Zimmergenossens, während dieser keine zwanzig Zentimeter entfernt liegt und den Schlaf der Gerechten schläft. Dann benutzt er ebendiese Kopfhörer zum Musikhören, während der Beklaute hellwach im selben Raum ist. Zu guter Letzt „verleiht“ er dem Beklauten die Kopfhörer, anstatt einfach zu sagen: „Ne, tut mir leid, die brauch ich gerade selber“ (Was ja sogar gestimmt hätte). Zieht eure eigenen Schlüsse, nur - wie bekloppt kann man eigentlich sein?
Es hätte mich nicht gewundert, wenn er auch noch seinen Laptop mit Nils‘ Reiseadapter geladen hätte. Doch so leicht machte er es uns dann doch nicht. Nils musste den ganzen Rucksack des Niederländers durchsuchen, um schließlich seinen Adapter in einer Plastiktüte zu finden. Und was machte Hein Blöd? Der behauptete zwar steif und fest, dass das Zeug ihm gehören würde, doch die merkwürdige grüne Farbe, die sein Gesicht dabei annahm, ließ keine Zweifel an den rechtmäßigen Eigentumsverhältnissen übrig. Nils und ich konnten zum Glück noch am selben Abend das Zimmer wechseln, und als wir am nächsten Morgen die Rezeption über den Diebstahl informieren wollten, war unser Niederländer schon verschwunden. Sei’s drum, wir hatten unsere Sachen wieder.
Letzten Donnerstag sind wir wie angekündigt nach Brisbane geflogen. Unser neues Hostel hat den Namen „Brisbane Backpacker Resort“ wirklich verdient. Es gibt einen Pool mit angrenzendem Whirlpool, ein Tennisfeld mit Basketballkorb, eine Tischtennisplatte, einen Billardtisch und eine Wii-Konsole. Leider sind die Zimmer ziemlich klein und die Küchenutensilien sind schmutziger als Hugh Hefners Gedanken. Auch die Vorzüge des Pools konnten wir noch nicht genießen, denn das Wetter spielt mal wieder nicht mit. „Brisbane hat rund 300 Sonnentage pro Jahr“ - So steht es im Reiseführer und auf jedem Autokennzeichen ist zu lesen: „Queensland – The Sunshine State“. Welche Ironie, dass wir bisher sechs Tage lang einen bedeckten Himmel hatten.

*Da er erst am Tag zuvor ins Zimmer gekommen war, kenne ich seinen Namen nicht. Deshalb heißt er hier nur „der Niederländer“. Man kann ihn sich wie eine Art Heintje vorstellen, der mit zehn aufgehört hat zu wachsen: Blonde Haare und maximal 1,50m groß.

Eines der Badezimmer in Hobart, das von uns gereinigt wurde - riecht ihr das Bleichmittel?
Kein Blogeintrag ohne zusammenhangsloses Tierfoto...

Eine schöne Metapher für die Verdrängung einer einheimischen Art (links im Bild) durch eine invasive Art (rechts), in diesem Fall der gemeine Backpacker (backpackus communia)

Das Möchtegern-London-Eye von Brisbane
Eine ausgewogene Ernährung - Das Waschpulver links im Bild sorgt für die nötigen Vitamine